Dass sich der Vorsitzende einer "Gerade so im Landtag"-Fraktion trotz entsprechender Ankündigungen der Höcke-AfD als Gegenkandidat gegen den einzigen aussichtsreichen demokratischen Kandidaten im dritten Wahlgang um das Ministerpräsidentenamt aufstellt und mit den Stimmen von FDP, CDU und der rechtsradikalen AfD wählen lässt, ist widerlich. Noch widerlicher ist es, dass Vertreter der Thüringer CDU und FDP danach so tun, als wäre das ein völlig überraschender Vorgang, den man nicht habe kommen sehen. Es ist ein Dammbruch wider die demokratische Kultur in Deutschland, einem Deutschland, dessen oberste Verpflichtung aus der Geschichte heraus es sein muss, sich gegen Nationalismus und Rassismus zu stellen.
Die Bestürzung über diesen unfassbaren Vorgang in der Gesellschaft ist zu Recht groß, und auch wichtige Politikerinnen und Politiker der betroffenen Parteien CDU und FDP äußern sich kritisch, während die AfD-Führung unverholen über ihr Husarenstück jubiliert. Selbst vom Vorsitzenden des eher rechten CDU-Landesverbandes Sachsens, dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer, kommen harte Worte der Kritik. Aber was sind die wert?
Am Ende sind sie nichts als Augenwischerei, weil es gerade nicht anders möglich ist, als sich gegen die AfD abzugrenzen, und weil es politischer Selbstmord wäre, zu schweigen oder gar zu verteidigen, was Thomas Kemmerich getan hat. Der Dammbruch aber ist nicht erst heute in Thüringen vollzogen worden, sondern er kam auf Raten. Hier ein bisschen und da ein bisschen.
Für die CDU ist es schon gute Tradition, die Feinde der Demokratie zu hofieren. Es ging schon los in den frühen 90er-Jahren, als man das Asylrecht massiv einschränkte, um auf die rassistischen Ausschreitungen von Rostock und Hoyerswerda zu reagieren. Seitdem wird der Rechtsradikalismus durch die CDU systematisch verharmlost und kleingeredet. Es ging in den vergangenen Jahren weiter, unter anderem wieder mit politischen Zugeständnissen an besorgte Bürger im Asylrecht, einer rechtsradikalen Terrorvereinigung, die vertuscht und vom Verfassungsschutz gedeckt wurde, und dem permanenten Gleichsetzen von Linkspartei und AfD. Spätestens jedoch seit die AfD massiv in die Parlamente drängt, wissen die rechten Demokratiefeinde, dass sie ihren Willen bekommen, wenn sie nur laut genug krakeelen.
Eine wirkliche und durchgängige Abgrenzung der CDU zur AfD findet schon lange nicht mehr statt. In Gemeinde- und Stadträten arbeitet man hinter vorgehaltener Hand zusammen, wie zum Beispiel in Chemnitz, um die Teilhabe von linken Jugendzentren im Jugendhilfe-Ausschuss der Stadt zu verhindern. Ein weiteres Beispiel konnte man im Sächsischen Landtag beobachten, als ein Kandidat der AfD bei der Wahl zum Vizepräsidenten des Parlamentes bis zu 13 Stimmen mehr auf sich vereinen konnte, als die selbst ernannte Alternative Abgeordnete im Plenum hat. Die mantraartig vor sich hergetragene Abgrenzung der selbsternannten bürgerlichen Mitte hin zur AfD ist nichts wert, solange man aus dem Lager der CDU oder der FDP mit der AfD spricht, stimmt oder auch nur hofft, von deren Stimmen zu profitieren! Thomas Kemmerich ist nur die Spitze des widerwärtigen Eisbergs aus Politikversagen gegenüber der extremen Rechten in Deutschland. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Es ging damals genauso los wie heute. Damals waren es zuerst auch nur ein paar Abgeordnete der NSDAP - daraus wurden der Holocaust und der Zweite Weltkrieg. Das war möglich, und im Thüringer Landtag konnten wir heute beobachten, dass das wieder möglich wäre, wenn nicht alle Demokraten wachsam sind!