Die Gewaltausbrüche rund um den G20-Gipfel in Hamburg werden die Nachrichten auch noch in den kommenden Wochen prägen. Unser Redakteur Bernd hat in einem Kommentar seine Sicht auf die Geschehnisse zusammengefasst.
Kommentar:
Für die Vorbereitung dieses Kommentars habe ich viel recherchiert und gelesen, sehr viel, vor allem weil es für mich wichtig ist, keine Falschmeldungen zu reproduzieren oder vorschnelle Verurteilungen vom Stapel zu lassen. Ja, ich habe sogar zwei Mal einen fertigen Text verworfen und neu begonnen.
Was in den Tagen vor und während des umstrittenen G20-Gipfels in Hamburg passiert ist, weiß nun ganz Deutschland und jeder bastelt sich, so scheint es mir, die Wahrheit so zusammen, wie er sie gerade brauchen kann. Wer nun in Hamburg den ersten Stein geworfen hat und wer im Einzelnen die Eskalation so vorangetrieben hat, mag womöglich nie ganz zu Tage treten, denn nicht jeder schwarz gekleidete Demonstrant ist gleich ein autonomer Krawallmacher und nicht jeder mit Uniform und Helm ein prügelgeiler Bulle.
Aber eines bleibt von diesem G20-Gipfel und den Protesten und Krawallen um ihn herum ganz sicher: Eine Spur der Verwüstung durch unsere grundlegendsten demokratischen Werte und Menschenrechte. Wären die Dinge so, wie sie liefen, nicht in Hamburg, sondern in Ankara, St. Petersburg oder Riad vonstatten gegangen, so wäre der Aufschrei in Westeuropa immens gewesen. Da es aber eben nun mal in Hamburg war, ist es bestimmt unumgänglich gewesen, das Grundrecht auf Versammlung oder die Pressefreiheit massiv einzuschränken, denn Deutschland ist ja schließlich ein demokratisches Land und es ist ausgeschlossen, dass hier Willkür herrschte.
FALSCH!
Mit nichts auf der Welt ist es zu rechtfertigen, dass wegen ein paar wenigen Gewalttätern, die vermutlich aus aller Herren Länder anreisen, schon im vorauseilenden Gehorsam das Demonstrationsrecht ausgehebelt wird. Die Kritik an der Politik der G20-Staaten ist bitter nötig. Es kann kein "weiter so" geben, wenn immer weniger Menschen immer mehr besitzen, es kann kein "weiter so" geben, wenn gesteuert durch monetäre Interessen die Natur unseres Planeten immer mehr aus dem Gleichgewicht gebracht wird, und es kann auch kein "weiter so" geben, wenn legitimer friedlicher Protest als etwas Störendes, ja gar Unerwünschtes betrachtet wird.
Ebenso wenig ist es aber hinzunehmen, dass unter dem Deckmantel der Kapitalismuskritik Steine und Flaschen auf Polizisten fliegen, Geschäfte geplündert und Autos angezündet werden. Freilich hat die Polizei mit ihrer Taktik viel dafür getan, die Eskalation voranzutreiben, aber trotzdem gibt es keine Rechtfertigung für diese gewalttätigen Ausschreitungen.
Und nun? Anstatt eine ehrliche und differenzierte Auswertung voranzutreiben und die Verantwortlichen auf den rechtsstaatlichen Wegen zur Verantwortung zu ziehen, wird eine ganze politische Kultur unter Generalverdacht gestellt und zum Angriff auf ihre Zentren geblasen. Unsere ach so demokratische und aufgeklärte Gesellschaft beweist gerade nur eines: Sie hat aus der Geschichte unseres Landes absolut nichts gelernt! Gegen Zustände, wie sie in Hamburg herrschten, hilft keine Law&Order-Politik und auch keine Verfolgung von politischen Ideologien – wohl aber eine sozial gerechte Politik und massive Investitionen in kostenfreie Bildung für alle