Im Sommer 1831 tauchte vor Sciacca in Sizilien eine Insel aus dem Mittelmeer auf. Schnell hatte sie einen Namen – beziehungsweise drei (Haupt-)Namen: Ferdinandea, nach Ferdinand, dem König zweier Sizilien; Graham Island nach dem britischen Admiral Graham; und zuletzt Giulia, nach dem Monat ihrer Entstehung. Die Insel wurde durch ihre strategisch günstige Lage schnell zum Zankapfel der europäischen Mächte – bis sie im Dezember des gleichen Jahres wieder im Meer versank und dort bis heute als Untiefe liegt.
Von Juli bis Dezember 1831 folgt der Roman den Menschen, eingebettet in die historischen Ereignisse. Es beginnt mit den Einwohnern von Sciacca, aber sehr bald werden es immer mehr Interessierte aus aller Welt, wodurch sich die Ereignisse ganz von selbst in einer kunstvollen Dramaturgie entfalten. Wunderschöne poetische Beschreibungen z.B. von Wetterlagen, die leichtfüßige wie kurzweilige Charakterisierung der Handelnden und gelegentliche Seitenhiebe für die vorgebildete Leserschaft machen das Buch zu einem Vergnügen für die eine oder andere Stunde. Die Charaktere sind herrlich beschrieben und ebenso, was die einzelnen Völker damals wohl voneinander hielten.
Ein Beispiel für den Schreibstil möchte ich euch noch mitgeben:
„Schon tummelten sich entlang der Promenade, im Kurhaus, im Café und am Strand Gäste aus vieler Herren Länder: Man konnte das leichte Perlen des Französischen ebenso hören wie das Gaumige des Englischen, die deutsche Sprache kam klar, aber durch das südliche Ambiente gemildert von den Lippen, das Russische stolzierte pfauenhaft und erhaben, ebenso das Spanische, vielleicht nur ein bisschen weniger melodiös als das Idiom von der Moskwa. Das Portugiesische wusste auf liebenswürdige Weise zu nuscheln, und das Italienische blühte im Dreiklang von Sonne, Meer und Wind zu einem strahlenden Belcanto auf.“ (S. 297)
Armin Strohmeyrs „Ferdinandea. Die Insel der verlorenen Träume“ überzeugt durch Komposition und poetisch bildliche Sprache. Es erschien am 8. März 2021 im Südverlag.