In ihren ersten Alben war Taylor das unschuldige Mädchen von nebenan, die Prinzessin, die von der Traumhochzeit und dem Prinzen auf dem weißen Pferd träumte. Mit dem Erwachsenwerden, hat sie dann ein bisschen die Bitch (aber im coolen Sinne) heraushängen lassen und nun scheint sie ein bisschen das Erwachsenwerden abgeschlossen zu haben und ihre Liebe gefunden zu haben. Das Album folgt auf jeden Fall einem klaren Schema: Romantik, Pastellfarben, Glitzerherzen und poppige Frühlings- und Sommermelodien.
Das macht den Kontrast zu Reputation (2017) perfekt, wo es mehr um Dunkelheit, Schlangen, das Liebesspiel und „Auf die Fresse“- Offenbarungen ging. Die Gestaltung des neuen Albums ist auf jeden Fall wunderschön und liebevoll erfolgt. Das sieht man definitiv an der Verpackung, auch wenn man sich streiten mag, ob vier Deluxe Editionen nötig waren. Hat Taylor nicht schon genug Geld? Das fragte ich mich auch, als gestern die neue Kleidungslinie in Kooperation mit Stella McCarthney gelaunched wurde, bei der die Shirts und Pullover zwischen 70 und 100 Dollar kosten. Ich finde es zwar toll, dass hochwertig mit Ökofarben und nur besten Materialien produziert wird, aber welches kleine Mädchen kann sie Sachen einer Boutique bitte leisten? Das ein bisschen schade. Aber hier soll es ja nun erstmal um die neuen Songs gehen.
Ich habe das Album insgesamt bisher dreimal gehört und auffällig dabei ist (neben den Dingen, die ich oben schon beschrieben habe), dass mehr Synthies klanglich dazu gekommen sind, Taylor viel die Wörter Hips, Glove und School in ihre Lyrics hineingebracht hat und dass das Album irgendwie viel langsamer als die Vorgänger ist. Vielleicht ist das wieder ein Hinweis darauf, dass sie angekommen ist und das Tempo rausgenommen hat. Ein bisschen klingt es insgesamt, als hätte sie bei This Is Why We Can't Have Nice Things vom letzten Album angesetzt und eine neue Scheibe in diesem Muster produziert. Der Track hätte sich auf der neuen Platte immerhin prima mit einreihen können. Hier jetzt meine Einschätzungen zu den neuen Songs:
1. I Forgot That You Existed:
Im Opener rechnet Taylor mit jemandem, der ihr nicht guttat und von dem sie niemals dachte loszukommen, ab. Und zwar nicht auf bösartige Weise, sondern so, dass die Person ihr eines Tages einfach gleichgültig wurde und das so befreiend und schön war. Das Lied ist ein guter poppiger Einstieg, aber irgendwie nicht überwältigend… die Instrumentalisierung wurde sehr schlicht gehalten, habe ich gedacht, aber da hatte ich auch die restlichen Lieder noch nicht gehört. Im Vergleich dazu ist es doch schon ein wenig schneller und poppiger. 3/5
2. Cruel Summer:
Obwohl man bei dem Namen „grausamer Sommer“ eine traurige Ballade ala Summertime Sadness erwartet, überrascht Taylor hier mit einer ziemlich friedlich klingenden Nummer. Sie ist deutlich angenehmer als der Opener. Das Lied blieb mir rückwirkend im Gedächtnis. Es geht um eine Beziehung, die anziehend aber eigentlich giftig ist. „You look so pretty like a devil.“ Sie liebt ihn, aber er sie scheinbar nicht gleich stark zurück und somit zeigt der Text, dass es wirklich um einen grausamen Sommer geht. Hier klingt er nur nicht grausam, sondern sehr chillig und der Song hat eine eingängige Melodie. Ich werde das Gefühl nicht los, in einem Cabrio zu sitzen und das Abendrot zieht auf, der Wind weht durch mein Haar. 4/5
3. Lover:
Das Lied mochte ich schon nicht so sehr, als es vor einigen Tagen als Single veröffentlich wurde. Es klingt ein bisschen nach einer alten, schnulzigen Ballade. Der Text ist sooo kitschig, wie man ihn sich eigentlich wünscht, wenn man total verliebt ist. Sie besingt die perfekte unperfekte Beziehung und wenn ich das Lied höre, sehe ich eine Diva auf einer großen Opernbühne eine Ballade singen, die dabei ein teures Fell um die Schultern und ein Abendkleid mit Diamanten trägt. Am Klavier sitzt ihr Angebeteter… Irgendwie hat der Song was Retromusicalartiges in Kombination mit den 70ern. Ich bin noch nicht überzeugt. 2/5
4. The Man:
Entgegen der Erwartung wird es jetzt schneller und poppiger, endlich. Es geht nicht um einen weiteren Liebessong, wie ich erwartet hatte, sondern um das Thema Geschlechtergleichheit. Würde eine Frau weiterkommen oder anders behandeln werden in verschiedenen Situationen, wenn sie ein Mann wäre? Taylor besingt verschiedene Situationen aus ihrem Business und ich mag das Lied auf Anhieb. Es ist modern und gesellschaftskritisch, dabei zeigt sie aber, dass sie eine starke junge Frau ist. Ich sehe mich schon im Auto fahren und das Lied laut mitsingen. 5/5
5. The Archer:
Das war ein Track, der ebenfalls vorab schon veröffentlicht wurde. Er baut sich langsam auf und ist sehr ruhig. Taylor erklärte, dass er sich unter den berühmten Track 5s einordnet, denn das sind immer die besonders emotionalen Balladen auf allen Alben. Im Hintergrund des Liedes spürt man eine kleine Steigerung, die am Ende gefühlsmäßig ausartet, ähnlich wie bei All Too Well vom Album Red (2012). Jedoch ist es hier noch dezenter, was ich sehr gelungen finde, aber für einen Radio-Hit leider nicht reicht. Aber das muss es auch nicht, das Lied ist in sich so emotional und stimmig. Hier zeigt sich Taylor als Gejagte und Jäger gleichermaßen. Viele Gedanken, die sie im Kopf hat, offenbart sie ehrlich. Kann jemand sie überhaupt lieben und bei ihr bleiben, auf der anderen Seite, wer würde nicht bei ihr bleiben wollen? Negative Seiten ihres Jobs werden ebenfalls besungen. Sie offenbart, dass sie ihr Spiegelbild einst hasste und schlaflose Nächte hatte und einfach Halt gesucht hat. Ich würde das Lied als Kontrast zwischen Suchen und Finden beschreiben. 5/5
6. I Think He Knows:
I Think He Knows ist ein gewöhnungsbedürftiges Lied. Ich erkläre auch warum, hier gibt sogar ein bisschen Sprechgesang, das ist kein Problem, sondern ganz cool. Aber der Refrain ist irgendwie seltsam, weil er so hoch gesungen ist. Ich hatte irgendwie was Kräftigeres erwartet, was mich umhaut. Dabei bleibt es schlicht und einfach nur hochstimmig. Insgesamt wird das nicht mein Lieblingssong, aber ich glaube, wenn man ihn öfter hört, geht das seltsame Gefühl vom Anfang weg. Gegen Ende klingt die Melodie auch wieder angenehmer, vielleicht weil man sich daran gewöhnt hat. In den Text kann man sich gut hineinversetzen. Jeder kennt das, wenn man eine Schwärmerei hat und noch nicht „die drei Worte“ gesagt hat, aber einem an der Nasenspitze anzusehen ist, wie verknallt man ist und hofft, dass der Angebetete es noch nicht weiß. 2/5
7. Miss Americana & The Heartbreak Prince:
Es geht um einen Schul-Abschlussball und Taylor möchte mit ihrem Heartbreak-Prinz einfach fortrennen, den sie nach langer Zeit endlich wiedersieht. Man kann mutmaßen, dass vielleicht eine Rote-Teppich-Veranstaltung dieses Lied inspiriert hat, weil es um Kameras und Tratsch von anderen geht und hübsche Kleider. Taylor fühlt sich auf diesem glamourösen Event allerdings nicht wohl und will fliehen. Die Melodie ist ziemlich cool. Ich befürchtete, dass ich davon bald einen Ohrwurm haben werde, der Song ist wirklich nicht so eintönig, hat angenehmes Tempo und irgendwie träumt man sich davon. 5/5
8. Paper Rings:
Das Lied ist eines von mehreren, was für mich einen totalen Retrocharakter hat. Ein Filter wurde auf ihre Stimme gelegt, und der Refrain ist wie aus einem alten Musical geklaut. Doch worum geht es im Song: Sie hat jemanden gefunden, den sie heiraten würde, sogar mit Papierringen, als wurde Taylor gezähmt und ist endlich bei jemandem angekommen. Dieses Lied ist auch nicht ganz mein Geschmack: Friede Freude Eierkuchen, der einfach irgendwie scheinheilig inszeniert wirkt. Eben wie für die Bühne überdramatisiert. Hier ist der Refrain klanglich stärker als die Strophe, ein paar coole Textzeilen gibt es: „I like shiny things, but I’d marry you with paper rings.“ 3/5
9. Cornelia Street:
Cornelia Street hat mich emotional irgendwie sofort getroffen und ich hatte kurz Tränen während der zweiten Strophe in den Augen. Es geht um die Gefühle, die man hat, wenn man so viele Erinnerungen mit einer Person verknüpft und Angst hat, dass man sie eines Tages verlieren könnte. Dann würde etwas mit einem sterben, so tiefe Emotionen hat man. Taylor hat das Lied sehr schön zart und eingängig gesungen. Es scheint, als war sie in der Beziehung kurz davor, zu gehen, dann hat er sie aber zurückgeholt. Die Liebe scheint trotz den Schwierigkeiten des Alltags sehr groß, aber die Verlustangst ist der ständige Begleiter. 5/5
10. Death By A Thousand Cuts:
Es ist wieder Musicalzeit. Das Lied klingt wieder, wie aus einem Musical geklaut und mit hawaiianischen Tönen gepaart. Ich war ein wenig verwirrt, ich dachte der Refrain wäre die Strophe, aber das war nicht so. Der Text ist sehr tiefgründig, wie man es von Taylor kennt, aber irgendwie finde ich den Song komisch, weil er so dahin geklatscht klingt. Es geht um eine sehr schmerzhafte Trennung. ich verstehe die Instrumentalisierung auch nicht, Kronleuchtergeglitzer mit Hawaiiukulele, Akustikgitarre und ein bisschen elektronischer Pop. Seltsam, aber die Effekte sind cool. 2/5
11. London Boy:
Hier besingt Tayor ihre Liebe zum Vereinigten Königreich (GB). Vielleicht hat der britische Sänger Harry Styles, mit dem sie vor einiger Zeit zusammen war, den Song inspiriert. Immerhin singt sie, dass alle Gerüchte wahr waren. Der Song ist einfach und poppig gehalten, klingt aber so la la. Ich glaube man vergisst ihn schnell wieder. Ich mag die Zeile: „I'm your queen, like a Tennessee Stella McCartney.“ Diese Zeile steht auf einigen der T-Shirts der neuen Kleidungslinie von Taylor und Stella McCartney drauf. Jetzt habe ich den Zusammenhang verstanden. Taylor wäre also auch gern eine Britin. 3/5
12. Soon You'll Get Better:
Die ersten Töne erinnern an Taylors Anfänge im Countrygenre. Sie selbst war früher großer Dixie Chicks Fan, die nun hier im Hintergrund mitsingen und den Song unterstützen. Das Lied ist sehr emotional und einfach gehalten, lediglich eine Akustikgitarre hört man. Man merkt, wie Taylor bei der Aufnahme gekämpft hat, nicht zu weinen. Es geht um eine geliebte Person die krank geworden ist und um die Gedanken bzw. Ängst, die man als nahe Angehörige hat. In der Lover Launch hat Taylor erzählt, dass ihre Familie abgestimmt hat, ob der Song mit aus Album darf, weil er so persönlich ist. Aber sie waren einverstanden. Es ist zu vermuten, dass der Song sich um Taylors Eltern dreht, da diese vor einigen Jahren an Krebs erkrankten und ihre Mutter wieder damit zu kämpfen hat. 4/5
13. False God:
Ob der Song auf dem Album gewesen wäre oder nicht, wäre egal gewesen. Er ist so unscheinbar, dass man ihn eigentlich nicht braucht. Auffällig ist die Art des Gesangs. Es klingt in den Strophen so, als hätte Taylor mehr Text in eine Zeile packen wollen, als es das Zeitmanagement zugelassen hat. Die Silbenanzahl ist sehr seltsam zur Musik und klingt falsch. Ein bisschen Jazzcharakter wird durch die Trompeten erzeugt. Aber insgesamt ist der Song sehr langweilig mit sehr einfacher Instrumentalisierung. Der Refrain ist für mich auch kein wirklicher. Mich wundert es, dass er an heiliger Nummer 13 kommt. Dann muss er Taylor immerhin sehr viel bedeuten, denn wir alle wissen, dass ihre Lieblingszahl die 13 ist. 1/5
13. You Need To Calm Down:
Endlich ein Lied, dass es etwas schneller und eingängiger ist. Deshalb war es bestimmt auch eine Single. Wieder wird Taylor gesellschaftskritisch und besingt, dass die Leute einfach mal runterkommen und andere Leute ihr Leben leben lassen sollen. Egal, wie jemand ist, man soll nicht haten und übertreiben. Ich mag das Lied und die Botschaft. Das Musikvideo ist auch mega cool. 4/5
15. Afterglow:
Hier handelt es sich um einen Entschuldigungssong an jemanden, dem Taylor scheinbar wehgetan hat, obwohl sie die Person sehr liebt. Das Lied ist sehr angenehm zu hören, aber auch kein großer Hit. Es erinnert mich an einen Abspannsong eines kitschigen Liebesfilms. Afterglow fühlt sich nach mehrmaligem Hören auf jeden Fall sehr kuschelig und irgendwie nach einem warmen Frühling mit buntem Himmel an. 4/5
16. Me!:
Me!, die erste Single des Albums, war die typische Taylor Swift Single und reihte sich für mich bei Shake It Off und We Are Never Ever Getting Back Together ein. Das Lied hat definitiv Ohrwurmcharakter und das Musikvideo ist grandios gestaltet. Auch der Stargast Brendon Urie von Panic At The Disco passt sehr gut gesanglich rein. Das Lied ist einfach lustig und schön selbstironisch. Es gibt eben keinen besseren Lover für dich, als mich. ;) 4/5
17. It's Nice to Have a Friend:
Jetzt wird es wieder hawaiianisch, ich hatte schon Angst, dass sie gleich rappt... Ich weiß nicht warum. Ein leichtes Urlaubsgefühl wird vermittelt. Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich die Botschaft des Songs noch nicht so richtig. Ist ihr Lover ihr bester Freund oder meint sie wirklich, es ist schön, einen Freund zu haben, der wirklich nur der Freund und nicht der Lover ist? Ich habe mich dabei ertappt, dass ich die ganze Zeit auf den Refrain gewartet habe, der aber nicht kam. Gut es gibt einen, aber da das Lied so monoton ist, fällt der gar nicht auf. Schade. 2/5
18. Daylight:
Den Abschluss macht der klassische Liebessong Daylight. Er ist nicht so kitschig wie Lover, sondern angenehm, weiterhin geht es eher langsam zu. Hier besingt Taylor die wahre, aber auf dem Boden gebliebene echte Liebe. Sie hat gelernt, dass Liebe nicht schwarz-weiß und auch nicht rot ist, wie sie eins dachte, sondern golden. Eine schöne Vorstellung. Für mich ist der Song ein gutes Ende, eine Art Aufwachen aus dem Dornröschenschlaf. 3/5
Fazit:
Das Album knüpft bisher noch nicht für mich an frühere Erfolge an, weil ich viele Songs eintönig und unspektakulär produziert und die Scheibe einfach monoton und langweilig finde. Die Lyrics sind wie immer auf den Punkt und sehr gut durchdacht. Auch die Verpackung ist wunderschön und insgesmat kann man die Scheibe gut von Vorgängern unterscheiden. Ein paar Nummern erinnern mich an 1989 (VÖ: 2014). Meine Highlights auf dem Album sind eindeutig von den brandneuen Songs: Cornelia Street, The Man, Cruel Summer und Miss Americana & The Heartbreak Prince. Insgesamt hat das Album 57/90 Punkten, also mag ich das Album zu 63,3 Prozent. :)
Ich bin gespannt, wie die Songs auf Tour zur Geltung kommen, denn ich finde, für die große Bühne sind sie alle geschrieben. Taylor, auch wenn das Album nicht an meine Favoriten Fearless (2008), Red (2012) und Reputation (2017) rankommt, werde ich weiter meine Jahre mit dir in meinem Ohr teilen.