Band: Architecture in Helsinki
Album: In Case We Die
Mitglieder: Tara Shackell, Kellie Sutherland, Gus Franklin, James Cecil, Cameron Bird, Isobel Knowles, Jamie Mildren, Sam Perry
Herkunft: Melbourne, Australien
Musikrichtung: Indie-Pop
Musik ist ja äußerst vielfältig. Ein Mekka der unbegrenzten Kreativität, bei der es keinerlei Verbote gibt – oder geben sollte. Einschränkungen und Beschneidungen zu monetären Zwecken von Seiten der Plattenfirmen stehen dem konträr gegenüber, was uns direkt zur nächsten abgewetzten, verwaschenen und ausgenutzten Weissagung führt: Musik ist eben auch ein beinhartes Geschäft!
So, nachdem ich nun mein Monatsbudget in das Phrasenschwein der Musikredaktion ausgeleert habe, kommen wir zu dem, was ich eigentlich sagen will:
Diese Diversität (?) setzt sich natürlich bei den einzelnen Bands fort. Auf gut deutsch: Musikkappellen sind total unterschiedlich. (Ok, ok, ich werfe schon das nächste 2-Euro-Stück in den rosa Paarhufer) Es gibt Bands, die versuchen ihr Leben lang irgendwie groß rauszukommen, üben sich den Allerwertesten ab, feilen an Details, schicken Demos ohne Ende an Plattenfirmen, Promoter und Radiosender – vergeblich. Und dann existieren Combos, die haben sich irgendwann mal durch Zufall getroffen, meist binnen zwei Stunden dazu entschlossen eine Band zu gründen, die ersten Töne einer abgegriffenen Gitarre entlockt, die ihnen bis gerade eben noch unbekannt erschien – und schwupp! – schon ist der Plattenvertrag da. Beispiele? Bitte: Arcade Fire, The New Pornographers, vielleicht auch Deus. Und nun eben noch Architecture in Helsinki (AIH). Cathy von den New Pornographers betitelte das Phänomen perfekt „accidental bands“.
Merkmale: Die Bands reichen meist an orchestrale Größen heran (Minimum acht Leute), bestehen aber aus einem festen Kern. Ansonsten ändert die Besetzung ständig, jeder kann sich mal Versuchen, solange er irgendetwas Schrilles aus vorhandenem Material pressen kann und nicht mehr als ein Stück Pizza als Bezahlung verlangt. Zu Auftritten gehen nur die, die gerade Zeit und, ganz wichtig, Lust haben.
Auffällig ist auch, dass die aufgezählten Vertreter in eine ähnliche Musikkerbe schlagen: Pop.
Oder wie der österreichische Jugendsender fm4 gesagt hat:
„Der Trend zum leisen, akustischen Pop scheint sich vom Trend zu einem fixen Genre gefestigt zu haben, das, vor einigen Jahren noch tot, allerorts aufhorchen lässt und 2005 fast jede Woche für eine Neuentdeckung gut war.“
2006 geht nun genauso weiter!
Und das ist großartig! Denn was passiert, wenn man in einer offenen Garage in Melbourne probt, zeigt Architecture in Helsinki. Freunde schneien mal vorbei, bringen wiederum Freunde mit und jeder trommelt, quiekt oder röhrt einfach mal ins Mikrofon. Über 40 Leute waren am Album „In Case We Die“ beteiligt – und 41 Instrument (nicht gezählt: die Schleifmaschine, die Bohrmaschine und diverse Sägen, was halt in einer Garage so rumliegt).
Ich muss zugeben, beim durchlesen eines solchen Arrangements, erscheint es nicht als dringend notwendig, dass dann irgendetwas Brauchbares, geschweige denn, Anhörbares rauskommt. Und trotzdem ist es ein hervorragendes Indie-Pop-Werk, das zusammengehalten wird von zwei Hauptstimmen, die so einprägsam, schön und eigen sind, dass einem fast schon egal sein könnte, was da im Hintergrund herumgeifert.
Eigentlich gilt ja der Leitspruch „Viele Köche verderben den Brei“ (Oh nein, schon wieder zwei Euro weniger in meinem Geldbeutel *heul*), aber bei AIH entsteht ein Feuerwerk an kreativen Ideen, die die Musik quick lebendig und abwechslungsreich wie selten erscheinen lassen.
Zum Abschluss noch ein Statement der Band selbst zu ihrem Namen, das die Arbeitsweise und den daraus entstehenden Sound einfach perfekt beschreibt:
„Wir kommen ja nicht aus Europa. Die Hälfte der australischen Bevölkerung weiß sicher nicht einmal, dass Helsinki in Finnland liegt. Für uns war es einfach nur ein Wort. Die Idee zu diesem Namen hatte Cameron. Kurz bevor wir unser erstes Konzert spielten, schlug er einfach die Zeitung auf, blätterte diese durch, griff sich da wahllos irgendwelche Wörter heraus, die seiner Meinung nach gut klangen, und stieß so auf den Namen Architecture in Helsinki. Diese Arbeitsweise ist – vor allem wenn es um das Schreiben von Texten geht – typisch für Cameron. Er wählt Wörter häufig nach Klang aus, und überlässt die Interpretation dann anderen, z.B. den Hörern.“
Erinnert mich irgendwie an Adam Green...
Fazit:
Nichts für Menschen klarer Struktur, die simple Melodien und einen Refrain zum Mitsingen brauchen – dafür umso mehr ein schräges Pop-Arrangement, an dem Indiefans, Soundinteressierte und Klangfetischisten (und alle anderen Freigeister) nicht vorbei kommen können!
Anspieltipps:
- It’5
- Wishbone
- Do The Whirlwind
- In Case We Die (Part 1-4)
- The Cemetry
Garagenbandliebhaber: Sebastian Schlegel