Band: Fever Ray
Album: Fever Ray
Herkunft: Stockholm, Schweden
Mitglieder: Karin Dreijer Andersson
Klingt: elektronisch, ambient, downtempo
Drei Jahre ist es her, seit das elektronische Indie-Duo The Knife ihr letztes Album veröffentlichten. Mit Silent Shout haben die beiden Geschwister Karin Dreijer Andersson und Olof Dreijer aus Stockholm ein düsteres Meisterwerk geschaffen, das Ende 2006 von vielen Kritikern zum besten Album des Jahres gekürt wurde. Anschließend hagelte es Auszeichnungen. Seitdem ist es jedoch ruhig um die pressescheuen Schweden geworden.
Ende letzten Jahres heißt es dann plötzlich, dass Olof Dreijer im Amazonas unterwegs sei um Aufnahmen von Tieren, Fischen und Pflanzen zu machen. Als ich den Grund dafür erfuhr blieb mir der Mund offen stehen: The Knife schreiben anlässlich Darwins 150. Jubiläums die Musik und das Libretto für eine Oper über die Evolutionstheorie. Als auch noch bekannt wurde, dass Karin Dreijer Andersson an einem Soloalbum arbeitet, während ihr Bruder im Regenwald unterwegs ist, war ich vollends überwältigt.
Fever Ray heißt dieses Soloprojekt. Fever Ray heißt auch das Debütalbum. Fever Ray verbindet Gegensätze wie kein anderes Album: ein synthetischer Organismus. Uralte Traditionen treffen auf technische Moderne. Natur auf Urbanität. Trotz ihrer kühlen Abstraktion schafft es die Musik immer wieder warm und organisch zu klingen. Trotz der elektronischen Dominanz wirkt sie unvergleichlich menschlich. Wer einmal nachts durch eine regnerische Stadt gelaufen ist und dabei Dry And Dusty gehört hat, wird das verstehen. Die Verfremdung von Karins Stimme ist perfekt eingesetzt. In unterschiedlichen Stimmlagen und Stufen der Verfremdung zieht sie den Hörer in ihren Bann. Wer hier singt ist nebensächlich. Durch Distanz wird Nähe geschaffen. Weil kein Personenbezug hergestellt wird, ist es möglich sich umso intensiver mit der Musik zu identifizieren. Die Texte sind abstrakt und lassen genug Spielraum für eigene Gedanken, Gefühle und Interpretationen.
Auf dem großartigen Opener If I Had A Heart, der von einem düsteren Bass getrieben wird und an das Gefühl eines kindlichen Albtraums erinnert, singt Karin “If I had a voice I would sing”. Bescheidene Selbstreflexion, wenn man an die ständige Verfremdung ihrer Stimme denkt. Ganz ähnlich Ringo Starr, der in With A Little Help From My Friends gleich zu Beginn fragt: “What would you do if I sang out of tune? Would you stand up and walk out on me?”.
Wer nicht aufsteht und geht, sondern sich Zeit für diese Musik nimmt, wird dafür belohnt. Auf Fever Ray wird der Hörer nicht ein schlechtes Lied finden. Stattdessen wird er fühlen wie alles atmosphärisch aufeinander aufbaut. Eine dramaturgische Entwicklung, die sich sowohl in den einzelnen Liedern als auch dem Gesamtwerk wiederfindet. Mit den ersten Klängen von If I Had A Heart beginnt eine musikalische Reise, die in dem epischen Coconut ihr großes Finale findet und erst dann endet.
Geprägt ist diese Reise von Höhen und Tiefen. Glück und Leid. Kälte und Wärme. Nähe und Distanz. Alltag und Leidenschaft. Tradition und Moderne. Vergangenheit und Zukunft. Leichtigkeit und Schwere. Fever Ray versucht nicht irgendetwas zu sein und schafft es damit eine musikalische Abstraktion des Lebens zu schaffen. Die Faszination steckt dabei in der Reduktion. Mit nur 48min Spielzeit und 10 Songs, ist das Album musikalisch unglaublich dicht ohne im Geringsten überladen zu wirken. Konträr entsteht sogar ein Gefühl von Weite. Die Musik ist ruhiger und weniger stark von Techno beeinflusst als die Werke von The Knife. Weniger synthetisch, dafür umso organischer. Der Ansatz ist ein anderer. Die Faszination bleibt die gleiche. Wer sich darauf einlässt, kann in dieser Musik alles finden.
Fazit:
I know it, I think I know it from a hymn
They've said so, it doesn't need more explanation
A box to open up with light and sound
(Fever Ray – Seven)
Sehen:
(Bereits eine der großen Stärken von The Knife, schafft Karin Dreijer Andersson auch mit ihrem Soloprojekt ein Gesamtwerk, für das die Visualisierung eine große Rolle spielt.)
- If I Had A Heart: http://www.vimeo.com/2740700
- When I Grow Up: http://www.vimeo.com/3108686
Hören:
(Mit 48min Spielzeit ist das Album sehr kompakt. Keiner der 10 Songs ist zu viel. Wer das Album wirklich genießen will, sollte es sich als Ganzes anhören. Ein Organismus lässt sich nicht verstehen, wenn man nur einen Ausschnitt betrachtet.)
- Dry And Dusty
- Triangle Walks
- Concrete Walls
- Keep The Streets Empty For Me
- Coconut
Informieren:
http://www.myspace.com/feverray
Fährt für Fever Ray nach Kopenhagen: Fabian Wörz
ein weiterer Gegensatz: der Beitrag