Band: Kante
Album: Die Tiere sind unruhig
Mitglieder: Peter Thiessen (Gesang); Thomas Leboeg (Piano, Elektronika); Felix Müller (Gitarre, Kalimba, Bongos); Sebastian Vogel (Schlagzeug); Florian Dürrmann (Bass, Gitarre)
Herkunft: Hamburg, Deutschland
Sound: kantiger Rock mit Einflüssen
Es sei gleich frei raus gesagt. Die Möglichkeit einer exklusiven Rezension des vierten Kante Albums schließt sich kategorisch aus. Radio1 bietet ein 17:34 Interview + Unplugged Version von „Nichts geht verloren“ als Webstream. Visions und Musikexpress lassen „Die Tiere sind unruhig“ als Platte des Monats hochleben und die Intro entschuldigt sich beinah für ein nationales Überangebot auf Ihrem Titel, mit dabei, natürlich – Kante.
Fast hätten sich die fünf Männer aus Erschöpfungsgründen aufgelöst. Der Kopf brummte, die Energieskala schrie nach Anstieg. Einfach mal wieder Jammen, statt ein durchexerziertes Meisterwerk á la „Zombi“ schaffen zu wollen.(„Zombi“ sei aus heutiger Sicht trotzdem eine gute Platte sagt Peter Thiessen).
Nach ein wenig Überredungskunst, dem Appell an die Musikerseele und dem unaufgesetzten Wissen um ihr Können wurde die eben noch zugeschlagene Bandtür wieder aufgerissen. Dem Reich der Untoten entstiegen, saßen alle Musizierenden im Kreis, Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic, Mediengruppe Telekommander) drückte die Aufnahmetaste und los ging’s. Jeder magische Moment sollte aufgefangen werden. Die nicht für möglich gehaltene Platte sollte die Roughness einer frühen Stones oder Dylan Platte haben, die fröhliche Leichtigkeit des Funks (nicht Free Jazz wie bei Zombie) einfangen und textlich so nah am Leben sein, wie selten.
So geschehen auf der Achse Hamburg – Berlin. Mal im Arbeitszimmer Peter Thiessens, im ICE, in Übungsräumen in Berlin Mitte und Hamburg Uhlenhorst für die Vorproduktion, um dann alles Gesammelte ohne viel Federlesen aufzunehmen: Chez-Cherie-Studio, Berlin Neukölln, Moses Schneiders Transporterraum, Berlin Kreuzberg, Semiheimstudio Leboeg, Hamburg Altona, Orchesteraufnahmen im Soundgarden, Hamburg Neustadt und zum Mischen ging es noch einmal ins Tritonusstudio Berlin Kreuzberg: FERTIG! (2 ½ Monate)
Die Summe der einzelnen Teile:
Ein Album mit einer revolutionäranmutenden roten Flagge motivisch unterstützt durch zwei sich beißende Bären: „Die Tiere sind unruhig“
Sieben Stücke, 48 Minuten – Kantes großer Schlag!
Hitze, Ruhelosigkeit, Umbruch heißen die Von Thiessen gewählten Worte zum Titelstück „Die Tiere sind unruhig“. Ein Song der dauerhaften Veränderung.
Queens of the Stone Age liebäugeln mit Hamburger Schule. Klingt gut. Nachzuhören inkl. „Blick ins Herz der Finsternis“ in „Ich hab’s gesehen“.
Die scheppernden Riffs nahmen sie gleich mit in ihr persönliches Lied über Sex!
„Nichts geht verloren“. Beschreibungsüberflut der normalsten Sache der Welt.
Gefeiert wird derweilen in „die größte Party der Welt“. Wohl dem Stück, das am besten die Grundstimmung der Aufnahmesessions wiederspiegelt. Befreite Atmosphäre, entspanntes Musikermeeting und zum Schluss jubelnde Jam-Schaulustige. So Lagerfeueratmo auf funkigem Kanteniveau. Hier darf geklatscht werden.
Die Lustigkeit ist allerdings schnell wieder vorbei. „Die Wahrheit“ spricht selbe einfach mal aus. Wider allen schulterklopfenden Aufbauern dieser Welt, wider geheuchelten Verständnisbekundungen und kollektiv-wissendem Nicken. Manchmal ist die Wahrheit dann doch der einzige Ausweg. Ansonsten wird es lächerlich.
„Ducks and Daws“ ist ein Instrumentalstück und besticht durch zwei bekannte Gastmusiker. Micha Acher (The Notwist, Ms.John Soda) spielt ein wenig auf der Trompete und dem Flügelhorn, Lieven Brunckhorst nimmt sich die Bassclarinete und Rainer Sell Trombone.
Und dann ist es so weit. Über neun Minuten lang schließen Kante den Kreis. „Die Hitze dauert an“ bietet Erkenntnisse, Versöhnung und stetigen Zweifel. „Die Fragen sind gestellt/das was man sagen kann gesagt/alles ist gut, der Zweifel bleibt/der Schmerz, die Trauer, und der Zorn/Doch für uns ist nichts verloren/solang die Zeit noch in uns wohnt/solang der Schmerz im Wandel bleibt/auch wenn die Zeit ihn nicht mehr heilt.“
Der Luxus eines Orchesters hat sich gelohnt. Schöner kann man ein großes Album kaum schließen.
versöhnt unruhig: Marco Stahn