Künstler: London Grammar
Album: If You Wait
Mitglieder: Hannah Reid, Dot Major, Dan Rothmann
Herkunft: Nottingham, UK
Klingt wie: The xx, Massive Attack und Portishead treffen sich verkatert auf eine Kaffee, um ein neues Wunderwerk in ihrer Mitte zu platzieren
Das Internet hat seine Aufgaben wieder einmal vorbildlichst erfüllt. Das 'next big thing‘ schwappte innerhalb eines Jahres nun auch auf das europäische Festland über und hört auf den wohlklingend melodischen Namen London Grammar. Dem Zeitgeist entsprechend stellten die drei jungen Briten, allesamt Anfangzwaniger, im Dezember 2013 ihre ersten beiden Tracks Hey Now und Metal and Dust auf Soundcloud. Ein Selbstläufer.
Das Internet legte den Grundstein für den Erfolg des Trios und sie bewiesen mit diesem Schachzug, dass sie die Laufrichtung des Hasen kennen. Von da an schien alles nur noch eine Frage der Zeit, bis sich ihr sphärischer Klangteppich in den Zimmern der hedonistischen yolo- Generation ausbreitet. Es wurde gebloggt bis die Tasten glühten, Disclosure holten sich die kraftvolle und zugleich träumerische Stimme von Hannah Reid für ihr Debüt ins Boot und The xx die gesamte Band für ihr selbst kuratiertes Night & Day Festival in London auf die Bühne.
Nachdem sich das Trio auf realem Weg an der Universität von Nottingham kennenlernte und zunächst einige kleinere Gigs vor ausgewählten Publikum, in Form von Freunden, spielte, steht am vorläufigen Ende des Hypes der hochgefeierte und umjubelte Longplayer If You Wait. Nach den ersten Konzerten und dem geläufigen Wettbieten der allüblichen Plattenfirmen, fiel die Entscheidung auf ein kleineres Label namens 'Island‘, welches –wie so oft- weniger Druck auf die so zart klingenden Geschöpfe ausübt. Und siehe da! Anstatt ihren Internet-Fame in einer kopflosen 30 Minuten Platte zu verpulvern, verschanzten sich die drei Freunde 18 Monate in ihrem Studio und krochen schließlich mit einem Album hervor, das noch einiges mehr kann als sich nur sehen zu lassen.
Das Aushängeschild der Band ist allen voran die dunkel-kehlige Stimme der dreiundzwanzigjährigen Hannah Reid, die nicht nur etwas fürs Ohr sondern auch für das ein oder andere Auge bietet. Alle Tracks steigen und fallen mit der Theatralik der jungen Britin, die nicht grundlos als die Geheimwaffe der Band gehandelt wird. Auf der gesamten Platte bietet sich ihrer Stimme ein Spielraum, der nur durch vereinzelte Pianotöne, Percussions und dahinperlende, ins unendliche verschwommene Beats begrenzt wird. Die Mitspieler nennen sich Dan Rothmanns und Dot Majors, die mit ihren minimalistischen Arrangements für die bedingungslose Einbettung der Texte Reids in ein minutiös aufwallendes, elektronisches Soundgeflecht zuständig sind. Mit ihren Lyrics über allgegenwärtige Teenangst, aussichtlose Identitätskrisen und ernüchternde Beziehungskisten gelingt ihnen ein geradezu perfekter Seiltanz zwischen den Themen, die heutzutage gefühlt, jeden unter fünfundzwanzig beschäftigen, ob müssen, sollten oder tun sei dahingestellt. Im Titeltrack „If you wait“ beklagt Reid ihren Herzschmerz einer entzaubernden Liebe mit den Zeilen
Seems to be the goal of everyone
From the search to the hurt
I believed I could take you on
We would drink, we would dance
And you would watch me whenever you want
Und siehe da, zum Ende lässt sich dieser dahin schmetternden Botschaft in Form von ‘If you wait. I will trust in time that we will meet again‘ doch noch ein wenig Hoffnung entlocken. Hoffnung die so selten auf ihrem Debüt zu finden ist, dass man es sich am Besten in Dauerschleife an einem verregneten Herbsttag anhört. Dann ist es auch okay, wenn man niemanden sehen möchte, sich die Decke über den Kopf zieht und wartet bis die Sonne wieder zum Vorschein kommt. Aber Achtung! Bitte nicht den Moment verpassen, wieder in das Leben einzusteigen. Denn so fabelhaft authentisch das Zusammenspiel von Text und musikalischer Untermalung den Hörer in seinem Selbstmitleid fesselt, kann der Longplayer in seiner gesamten Länge von 11 Tracks ein wenig eintönig wirken.
Nichtdestotrotz läuten London Grammar die Post-xx-Ära ein, deren ungeliebter Vergleich der Band wohl noch ein Weilchen nachhängen wird. Minimalistischer Hauchpop in intimer Atmosphäre, das können auch Andere. Einflüsse des großen Bruders The xx sind nicht von der Hand zu weisen, doch lauern die jungen Hungrigen bereits, an den Erfolg der bereits Alteingesessenen anzuknüpfen.
Ob ihnen das gelingt? Lassen wir uns überraschen!
Anspieltipps:
- Strong
- Hey Now
- Wasting my young years
- If you wait
After I heard the album, I want to waste my young years: Vanessa Berger