Band: Simon Bookish
Album: Everything/Everything
Herkunft: UK
Musikrichtung: experimenteller Pop
Atomkerne, Elektronenhüllen, Katalysatoren – mir persönlich läuft ein Schauer über den Rücken, wenn ich mich an all die missglückten Experimente meiner Schulzeit erinnern muss und all die mir fernen Zauber des Chemieunterrichts. Mit Simon Bookish sind wir jedoch, wie der Name schon verrät, auf einen echten Hobbywissenschaftler- und Philosophen gestoßen. Leo Chadburn wird er in Familien- und Freundeskreisen genannt und hat schon einen beeindruckenden Lebenslauf vorzuweisen.
Er wirkte bereits als Sänger und Live Performer, brachte unter anderem Pop und experimentelle Alben heraus, Improvisationen und Remixe (u.a. für Franz Ferdinand, The Organ etc.) und er kooperierte an Projekten für das Theater und zeitgenössischem Tanz. Der ausgebildete klassische Komponist macht es sich expressiv zur Aufgabe die Allgemeinheit zu verwirren und beschreibt sich selbst als ungeduldig bzw. schnell langweilbar. So ist es wohl diesen seiner Eigenschaften zu verdanken, dass uns Simon Bookish seit dem 05. Oktober 2008 nun mit seinem 3. Album beschäftigt.
Veröffentlicht diesmal auf dem deutschen Label Tomblab ist Leo Chadburn bereit für eine neue Abfahrt. ‚Everything/Everything’ trägt das stolze Album als Ettiket und beschreibt damit recht gut, was sich da abspielt auf dieser Platte. Während vorherige Simon Bookish Alben eher von den Klängen digitaler Synthesizer bestimmt wurden ist auf dieser Platte großes Highlight die Big Band bestehend aus Saxofonen, Klavier, Harfe, Farfisa Orgel und weiteren Klassikern und genau das scheint ihm für dieses Album wichtig gewesen zu sein, seine Liebe und Leidenschaft für Liveinstrumente. Experimentelle klassische Musikszenerien, Diskoelemente, indianische, ritualähnliche Momente, asiatische Klänge (zu hören in „II Trionfo Del Tempo“), jazzige Sequenzen, aber man merkt auch, dass neben dieser ganzen Vielfalt, das Album doch sehr poporientiert ist.
Lyrisch ist das Konzept des Albums der „Informationensflut“ unseres modernen Zeitalters angepasst. Er nimmt sich der Chemie und Ökologie, Sprache und Kunst sowie der Kulturforschung an sich an. Fast so, als hätte er einen Lexikonmarathon gewonnen. Manchmal surrealistisch, manchmal humorvoll, manchmal provokant. Die Verschmelzung von Tatsache und Fiktion kommt dabei aber nicht zu kurz. Stimmlich bekommen wir die Bookish’e englische Exzentrik. Oftmals melodisch, aber hauptsächlich bleibt er sich und seinem Sprechgesang treu.
So lädt uns Simon Bookish ein in seine Welt und ich fühle mich beim hören dieses Albums, als wäre ich in einem Labor mit tausenden von Formeln und übel riechenden, unidentifizierbaren Substanzen, alleingelassen mit der Frage: “Was geht nur in diesem Kopf vor?“ Ob nun Genie oder Scharlatan muss dabei jeder für sich entscheiden.
Anspieltips:
- The Flood
- Portrait Of The Artist
- Synchrotron
- Dumb Terminal
Im Internet:
http://www.simonbookish.com/blog
Erstickt am Resultat irgendeiner chemischen Reaktion: Christin Gäbel
Audio-Chemiestunde