Künstler: The Acid
Album: Liminal
Mitglieder: Adam Freeland, Steve Nalepa, Ry X
Herkunft: USA, England, Australien
Klingt wie: Massive Attack, James Blake, SOHN
The Acid ist pure Dystopie. Das Gefühl, sich in den endlosen Bassschlägen zu verlieren. Der starke Beat, der einen trotzdem immer weiter treibt, weiter, weiter hinein in die Dunkelheit der Musik. Ein bisher kaum bemerkter Verlust, der urplötzlich hervorbricht. Trotzdem weitermachen, niemals aufhören zu rennen. Der Bass kommt subtil, dann ein unbeteiligter Beat, harmlos zunächst, doch dann implodiert er. Und man fragt sich: Wenn man in einer anderen Zeit aufwacht, an einem anderen Ort, könnte man auch als anderer Mensch aufwachen? Aus einem fiebrigen Alptraum erwacht. Die Basswellen schlagen gegen die Brandung, viel zu laut, viel zu intensiv, viel zu gut.
The Acid haben mit „Liminal“ etwas ganz Großes geschaffen. Faszinierend, dass jeder der drei von einem anderen Kontinent stammt. Adam Freeland aus Brighton ist seit bald zwei Jahrzehnten ein gefragter DJ und Produzent, Steve Nalepa arbeitet in Kalifornien als Komponist, Produzent und Professor für Musiktechnologie. Ry X, der eigentlich Ry Cuming heißt, aus Australien stammt und mittlerweile wieder in Los Angeles lebt, machte zuletzt mit seiner zauberhaften Stimme zwei Sommer lang Berlin unsicher. „Howling“ und „Berlin“ von Ry X sind Werke unbestrittener Schönheit. Sehr ruhig, der einzige Begleiter die Gitarre. Mit Adam Freeland und Steve Nalepa kommen Electro, Downbeat und Post-Dubstep hinzu. Dadurch verschmilzt bei The Acid der Sound zu etwas Großartigem, vorher noch nie Gehörtem.
„Liminal“ ist ohne Frage eines der besten Alben dieses Jahres. Eines, das so gar nicht zum Sommer zu passen scheint. Aber im Taumel der Nacht begreift man, dass auch kurze Nächte verdammt dunkel sein können. Und man lässt sich mitreißen.
Tender we fall
Quiet and alone
Tired and gone, just speechless
Basic Instinct ist zweifellos der Song des Albums, der am meisten begeistert. Sehr ruhig, fast schon bedächtig am Anfang, steigert er sich in der Mitte zu einem reinen Schrei des Exzesses und Verzweiflung. Dann der abrupte Wechsel zum Anfangsbeat, verschämt und verstört ob des emotionalen Ausbruchs. „Coming up for it, Coming up for it, Coming up for it“, es wirkt fast wie in Trance. Sänger Ry X wiederholt sich, als ob er sich selber versichern wollte, dass am Ende wieder alles gut wird. Aber so recht scheint er selbst daran nicht zu glauben.
Um sich selbst kreisende Songstrukturen, durch Ry X sphärische Stimme zunächst aufgebrochen, entladen sich im Laufe der Songs in intensiver Hysterie. The Acid explodiert nicht. The Acid implodiert.
Tired, I don't want in
Tired, I don't want it
Tired, I don't want it
I'm tired, I don't want
I'm tired, I don't want it
Tired, I don't want
Ein zweiter großartiger Song des Debütalbums ist „Creeper“. Zunächst ein unbeteiligter Beat, dann eine noch beiläufigere Bassline. Dann schmeckt es plötzlich nach „Machine Gun“ von Portishead und ehe man es sich versieht, fällt man in einen Strudel maßloser Entrücktheit. The Acid bleiben stets minimalistisch und dadurch sehr beeindruckend in ihrer Klarheit.
Was bleibt also am Ende der Nacht, wenn sich Schwarz wieder zu Blau wandelt? Beunruhigung, Anspannung und Leere. Und dieses Album.
Anspieltipps:
- Basic Instinct
- Creeper
- Tumbeling Lights
Bereut nichts im Leben, außer dass sie The Acid nicht schon ein Jahr früher entdeckt hat: Caroline Niwinska