Künstler: Youth Lagoon
Album: The Year Of Hibernation
Mitglieder: Austin äh … Trevor Powers
Herkunft: Boise, Idaho, USA
klingt wie: Schlafzimmer-Wave
Endlich! Die schläfrige Zeit naht. Also, eigentlich.Denn auch wenn die Blätter schon verlockend karg an den Bäumen hängen und das Tageslicht zunehmend geiziger wird – so richtig Herbst werden will es nicht. Stattdessen versucht jener den im viel zu kühlem Nass verloren gegangenen Sommer zu imitieren und ergreift ambitioniert Sommerlebens-verlängernde Maßnahmen. Der Mensch ist irritiert: Wo bleiben all die Stürme, Regenschauer, Nebelschwaden und plötzlichen Wintereinbrüche, die man braucht, um einen Tag im Bett zu rechtfertigen oder ein fröhliches „bei diesem Wetter verlasse ich das Haus heute aber nicht, hihi“ an die eigene Facebook-Wall zu kritzeln und sich somit absolut reinen Gewissens dem einzig sinnvollem Protest gegen Kälte, Nässe und Finsternis hinzugeben - dem Winterschlaf. Ein Satz so lang wie die Wintersonnenwende. Und deshalb kommen wir jetzt zum eigentlichen Thema: Trevor Powers. Entgegen seines äußerst energisch anmutenden Nachnamens, aber entsprechend des Titels seines Debüt-Albums (The Year Of Hibernation) würde der Jüngling (Altmodisch für Hipster) aus Idaho scheinbar am liebsten das ganze Jahr über in dieser phlegmatischen Winterstarre verharren.
Youth Lagoon nennt er sich (und youth ist immer gut, vor allem bei Jünglingen) und offensichtlich verließ er sein Bett für einen ungewissen Zeitraum überhaupt nicht, dunkelte die Fenster ab, ernährte sich von Luft, verzichtete auf soziale Kontakte, kramte den alten, nostalgisch-verblichenen Synthie aus der herrlichen Kinderzeit hinter dem staubigem Vintage-Schrank hervor und widmete sich seiner wahren Berufung: dem Musizieren. Komponieren. Produzieren.
Popaskese eben, die in den meisten Fällen immer in Genialität gipfelt. Diese Genialität ist in den meisten Fällen wiederum so nostalgisch verwaschen wie die Erinnerung an die Kinderzeit und nennt sich Lo-Fi, Dreampop oder eben auch Bedroompop. Musik für den Winterschlaf eben.
Das Debüt-Album von Youth Lagoon (im Netz schon seit Jahren, in den USA schon seit September, bei uns aber erst ab November erhältlich) scheint beim ersten Hören ein besonders verhuschtes Stück Schlafzimmermusik. Auf nur 10-2 (2=Bonustracks) Songs erzählt Powers mit fragiler Fistelstimme vom Angsthaben, Verstecken, Weglaufen. Abtauchen. Vom Verschwinden unter dem Schutz großer, weicher Daunendecken. Vom Winterschlaf.
Seine Stimme dringt aus weiter Ferne, fast so, als säße er in einer großen illusorischen Seifen-Blase, isoliert von der grausamen Außenwelt, zu der er dennoch spricht. Youth Lagoon schwebt in einer eigenen Sphäre und lässt den Hörer Teil dieser sein.
Verschlafen, verträumt, intim und dennoch: irgendwie wohnt jedem der Songs eine gewisse orchestrale Kraft inne – ein reizvoller Flirt von Leise mit Laut.
So folgen alle Songs auf dem Album einem gewissen Schema, dessen unerschütterlicher Kern die Klimax ist. Am Anfang steht stets verspieltes Geklimper, das schon bald von einem Beat untermalt und durch weitere Elemente aufgepäppelt wird, sodass im Finale all die kumulierte Fragilität zu einem großen, schönen Batzen Popmusik verschmilzt.
Auch wenn sich die Träume von Youth Lagoon zu wiederholen drohen – sie erschöpfen sich nicht. Dafür sind sie viel zu schön.
Anspielen:
- Cannons
- Seventeen
- Daydream
- Montana
dirty chemnitz hipster youth: Johanna Eisner
http://www.youtube.com/watch?v=8IKPT30jOJw&feature=related
http://www.youtube.com/watch?v=hEDPdybOeU4&feature=related
http://www.fatpossum.com/artists/youth-lagoon