Im großen Saal des Schauspielhauses war am Abend des 21. Septembers kaum noch ein Platz frei, denn es stand eine der ersten Premieren in der neuen Spielzeit der Theater Chemnitz an. Zu sehen gab es Die zwölf Geschworenen von Reginald Rose unter der Regie von Carsten Knödler.
Der Vollzug der Todesstrafe mittels des elektrischen Stuhls oder Freispruch? Schuldig oder unschuldig? Um diese Fragen drehte sich die Premiere des Stücks Die zwölf Geschworenen. Verantwortlich für das Urteil: Zwölf unbeteiligte Bürger – die Geschworenen.
Doch zunächst etwas zum Inhalt des Stücks. Ein junger Mann wird beschuldigt, seinen Vater erstochen zu haben. Die Indizien und Zeugenaussagen scheinen eindeutig zu sein. Das zeigt auch die erste Abstimmungsrunde der zwölf Geschworenen, welche nach sechs Verhandlungstagen in den Geschworenenzimmer eingeschlossen werden. Elf von ihnen sind der Meinung, der junge Mann sei schuldig, nur der 8. Geschworene ist davon nicht vollends überzeugt. Es ist nur ein Gefühl, aber er beginnt den Fall detailliert zu hinterfragen und teilweise zu rekonstruieren. Können die Zeugenaussagen wirklich stimmen? Sind die Indizien wirklich so eindeutig wie sie scheinen? Nach und nach sehen auch weitere Geschworene, dass der Fall nicht so eindeutig ist, wie sie zunächst vermutet haben. Letztendlich geht es schließlich um ein Menschenleben.
Zwölf Schauspieler, 110 Minuten Spielzeit und stets das gleiche Bühnenbild – doch trotzdem, oder gerade deswegen, schafft es das Stück, den Zuschauer zu fesseln. Kann der Beschuldigte tatsächlich unschuldig sein? Diesen bekommt man übrigens zu keinem Zeitpunkt zu sehen. Die gesamte Tat baut sich lediglich durch Schilderungen in der eigenen Vorstellung auf. Man beginnt die Ausführungen und Erklärungen nachzuvollziehen und wägt ab, wie man vielleicht selbst entscheiden würde. Zudem bildet das Stück teilweise unsere Gesellschaft und deren Verhalten ab. Es hinterfragt Klischees. Es kritisiert die Diskriminierung ausländischer Bürger und die Herabsetzung von Frauen. Zudem stellt es die Frage, ob vor dem Gesetz wirklich alle Menschen gleich sein können. Hätte sich Geschworener Nummer acht auch für einen Rechtsextremisten in einem solchem Maße eingesetzt? Doch trotz Provokation und Gesellschaftskritik wird die Spannung und ernste Stimmung immer wieder durch kleine Lacher gelöst, meiner Meinung nach in genau der richtigen Dosis. Dass einige der Geschworenen im Verlaufe der Diskussionen einknicken würden, schien absehbar zu sein. Doch fragte man sich, wie die hartnäckigen Charaktere überzeugt werden sollten. Es schien zeitweise unmöglich, doch was hätte das für das Ende des Stücks bedeutet? Letztendlich erwartet den Zuschauer etwas, womit er wohl nicht gerechnet hat – zumindest habe ich das nicht.
Die zwölf Geschworenen hätten unterschiedlicher nicht sein können: eine junge Chemikerin, eine ältere Dame, ein aufbrausender Mann und ein junger, ungeduldiger Fußballfan, welcher das Ende der Sitzung nicht erwarten kann, um es rechtzeitig ins Fußballstadion zu schaffen – um nur einige Charaktere zu nennen. Diese wurden von den Schauspielern äußerst authentisch verkörpert. Der Zuschauer kaufte ihnen ihre Rolle zu 100 Prozent ab. Für diese Darstellung wurden sie am Ende des Stücks zurecht mit einem nicht enden wollenden Applaus sowie einem riesigen Blumenstrauß belohnt.
Mein Fazit: Die zwölf Geschworenen ist ein Stück, welches beinahe ununterbrochen zum Nachdenken und Abwägen anregt. Trotz der minimalistischen Bühnengestaltung wird der Zuschauer von der Darstellung in den Bann gezogen. Ein Stück, welches wirklich empfehlenswert ist, der Gesellschaft den Spiegel vorhält und zeigt, wie es sein könnte.
Denkt daran, mit eurem Studentenausweis erhaltet ihr eine viertel Stunde vor Beginn der Vorstellung Restkarten und könnt sie euch somit völlig kostenfrei anschauen.
Weitere Spieltermine:
05.10.2019, 19.30 Uhr
30.10.2019, 19.30 Uhr
28.11.2019, 19.30 Uhr
07.12.2019, 19.30 Uhr
26.04.2020, 15.00 Uhr