Ich bin, wie der Großteil meiner Generation, mit Rap aufgewachsen. Eine Musikrichtung die in Deutschland 2019 so erfolgreich ist, wie keine andere. Es macht kaum noch einen Unterschied, ob man auf Spotify der „Top 50“- oder der „Modus Mio“-Playlist folgt, denn am heutigen Tag sind 38 der 50 Lieder aus erstgenannter Playlist dem Genre Rap zuzuordnen. Die beiden ersten Ausreißer sind auf den Plätzen 13 und 25 zu finden!
Mich als Fan macht das zwar auf der einen Seite sehr glücklich zu sehen, dass eine immer breitere Masse Zugang zu dieser Art von Musik findet, doch auf der anderen Seite macht es mich auch unglaublich traurig, denn eines haben alle diese Lieder (OHNE AUSNAHME!) gemeinsam: Ihre Texte drehen sich nach wie vor nur um teure Marken und die Verherrlichung von Sexismus und Gewalt. Und das nicht nur nur von den männlichen Interpreten ausgehend.
Natürlich gab es immer wieder Versuche, sich dem zu widersetzen und neue Wege einzuschlagen. So scheinen Künstler rund um die Audiolith-Gruppe Neonschwarz seit Jahren in einem unerbittlichen Kampf zu versuchen, die Fahne für das Gute im Rap hochzuhalten, doch scheinen sie leider nicht mehr als eine am Rande koexistierende Nischenerscheinung zu sein. Richtet man seinen Blick auf erfolgreiche Rapper, wie beispielsweise Casper oder die Orsons, die versuchen, das inhaltliche Spektrum zu erweitern, so stellt man schnell fest, das dies kaum mehr als ein verzweifelter Versuch ist, dem jede Konsequenz fehlt.
Doch ein Funke Hoffnung darf noch vorhanden sein, denn ich war zwar selbst zu jung um die Anfänge dieser subkulturellen Entwicklung mitzuerleben, doch hat eine Person mir das Gefühl gegeben die Geburtsstunde des Deutschrap doch miterlebt zu haben. Und diesmal auf die richtige Art und Weise. Ganz ohne Gewalt, dafür aber mit ganz viel Willenskraft, Intelligenz und vor allem Nächstenliebe und das vollkommen ungezwungen und ehrlich, ohne Kompromisse.
Der Name: Ebow, der Ort: Distillery Leipzig
Es zwar nicht ausverkauft, aber bei weitem auch nicht leer an dem Abend, an dem Ebow und ihre beiden Djanes mit dem Künstlernamen Bad & Boujee das unaufgesetzteste Hip-Hop Konzert seit den 90ern gespielt haben. Es wirkte fast ein bisschen schüchtern, wie die drei zu Beginn des Konzerts versuchten sich den Weg auf ihre Bühne zu bahnen und es blieb auch den ganzen Auftritt über klar: wir haben es hier nicht mit einem komplett durchgeskripteten Konzert von Rampensäuen zu tun, doch gerade das machte den Charme dieses Konzerts aus. Während andere versuchen zu beweisen, dass sie ihren Fans in jeder Hinsicht überlegen sind und am liebsten als unantastbare Götter behandelt werden wollen, war Ebow zuerst einmal überrascht, dass Leute in einer völlig unbekannten Stadt ihre Texte mitrappten. Dann stellte sie das all black, all female Dj-Kollektiv Bad & Boujee vor, das als erstes seiner Art safespaces in der Partyszene schaffen sollte.
Zwischendurch hiel sie ein Plädoyer für ein unterstützendes Miteinander, vor allem im Umgang mit Depressionen und verteilte das Bier mit ihrem Gesicht darauf, das ihr vom Veranstalter geschenkt worden war an die Menge. Alles in allem also ein sehr positives, familiäres Miteinander, so wie es sein sollte. Eine Künstlerin, die wie sie selbst sagt, ihren ganz eigenen Weg eingeschlagen hat, um kompromisslos ihre Ideale zu verbreiten und als gutes Beispiel voran zu gehen. Und das verpackt in wunderbar guter Musik!
Ich hoffe sehr, dass sich in nächster Zeit mehr begabte clevere Leute trauen, solche Musik zu machen und die Rapszene zu einem weniger toxischen Ort machen und diese Plattform nutzen um ihrer doch sehr jungen Zielgruppe zu zeigen, dass es auch anders geht.
Doch bis es so weit ist, solltet ihr euch definitiv ein Konzert von Ebow anschauen und euch selbst ein Bild davon machen, was für eine gute Sache Rap doch eigentlich hätte werden können.