„Kaffee, heiß!“ bestellt Romeo sein Frühstück. „Du verbrauchst schon wieder das ganze warme Wasser!“ beschwert sich Julia – gemeinsam mit einer Zeitung und einer Tüte Brötchen sieht so der alltägliche Start in den Tag bei dem einst so romantischen Liebespaar aus. Nach 29 Jahren Ehe ist die Luft raus, und auch die rebellische Tochter Lucretia, die vier Uhr nachts betrunken nach Hause kommt und Parolen an die Hausmauer der Eltern schreibt, verbessert die Situation nicht gerade.
Von Anfang an wurde der Zuschauer mitgenommen in einen unbeschwerten Abend mit amüsanten Dialogen und Bezügen zu Shakespeares Original-Stück. So schmecke der von Julia zubereitete Kaffee beispielsweise wie das Gift des Apothekers von damals. Während Romeo und Julia frühstücken lassen sie ihre Fast-Tode Revue passieren, jedoch nicht auf eine Weise, die einem das Herz schwer werden lässt, sondern ganz im Gegenteil: Julia versucht unterdessen das Kreuzworträtsel der Tageszeitung zu lösen. Die romantische Figur von Shakespeare mit fünf Buchstaben mag ihr aber nicht einfallen. Zudem entstehen Dialoge, welche Sätze enthalten wie: „Also, wenn ich nur eine Minute später aufgewacht wäre, hättest du…? Schade!“
Um überhaupt ein Gefühl von Liebe, Wärme und Zärtlichkeit zu erfahren, ist es für Romeo das Größte sich an seines Wärmflasche Rosalinde zu schmiegen. Im späteren Verlauf des Stücks macht er ihr sogar eine romantische Liebeserklärung.
Unterhaltsam waren auch die Auftritte von Tochter Lucretia. Allein ihr Kostüm mit pinkem Kleid, pinken Haaren und goldenen Kopfhörern, sowie ihr eigenwilliger Gang, dürfte einigen Zuschauern ein Lachen entlockt haben. Der einzige Satz, den sie bei ihrem ersten Auftritt auf der Bühne von sich gab, rundete das Gesamtbild ihrer Figur ab. Gegenüber ihrem Vater Romeo brachte sie lediglich ein „Ich verachte dich“ zustande, auf die Frage, wo sie die ganze Nacht gewesen sei.
Ebenso liebenswürdig wie amüsant war der Auftritt der Amme, welche sich, angekommen bei Romeo, erst einmal ein paar Gläschen Schnaps zu Gemüte führt. Während Romeo wissen will, wie es seiner Schwiegermutter geht, in der Hoffnung, sie würde bald sterben, sodass er erben könnte, ereifert sich die Amme darüber, was für eine fürchterliche Person Julia bereits als Kind war.
Es folgt ein Auftritt vom „Pater to go“, welcher mit seinem Rollator über die Bühne rennt. Nicht mehr der Jüngste, kann er die Figuren von Shakespeare nicht mehr so recht auseinanderhalten. Immer wieder bezeichnet er Julia als Ophelia und auch Romeo kann er nicht so recht zuordnen. Während er also noch versucht zu verstehen, um wen es eigentlich gerade geht, beichtet Julia ihm, dass sie Romeo nicht ausstehen kann. In Erinnerung bleibt aus dieser Szene der Satz „Romeo liebt nur sich selbst, Rettich und Rosalinde.“
Als es im weiteren Verlauf mal wieder zu einem Streit zwischen Romeo und Julia kommt, bei dem Julia Romeo als „Abfall der Menschheit“ bezeichnet, schreitet William Shakespeare persönlich ein. Sein Auftritt ist dabei äußerst glamourös mit seinem goldenen, glitzernden und glänzenden Outfit. Er versucht zu schlichten, gerät aber zwischen die Fronten und wird schließlich beschuldigt, an dem ganzen Schlamassel schuld zu sein, weil er die beiden Figuren ja erschaffen habe. Einmal in Rage, beschimpft Romeo ihn zudem als Massenmörder, da in seinen Stücken so viele Figuren den Tod finden. Diese Worte machen Shakespeare untröstlich. Das ist jedoch schnell vergessen, als Lucretia auftaucht, von der er äußerst verzückt ist. Letztlich beschließen sie, gemeinsam weggehen zu wollen.
Bei Romeo und Julia bricht aber zunächst ein weiterer Streit darüber aus, ob damals denn nun die Nachtigall oder die Lerche zu hören war. Eine wirkliche Hilfe zur Lösung dieser Frage ist dabei auch Shakespeare nicht. Ein Grund mehr für Romeo und Julia ihm vorzuwerfen, dass er seine Stücke ja gar nicht selbst geschrieben haben kann.
Letztlich beschaffen sich sowohl Romeo, als auch Julia nach den vielen Streitereien ein weiteres Mal Gift. Sie trinken gemeinsam Wein, aus der Flasche, die der jeweils andere mit den Tropfen einer Flüssigkeit versetzt hat. So kommt es dazu, dass schließlich beide wie tot am Boden liegen. Sollte Shakespeare tatsächlich noch das von ihm vorgesehene Ende für Romeo und Julia herbeigeführt haben?
Um das herauszufinden, solltet ihr euch diese wirklich gelungene Inszenierung der Theater Chemnitz am besten selbst ansehen. Mit viel Humor, Witz und Sympathie werden die verschiedenen Figuren verkörpert und die alternative Geschichte von Romeo und Julia erzählt. Positiv hervorzuheben ist für diesen Abend die Wandlungsfähigkeit der Schauspieler, die zu dritt insgesamt sechs Rollen verkörperten. Auch kleine Anpassungen im Stück an die Stadt Chemnitz, wie Romeos Vorschlag im aaltra „saufen“ zu gehen oder ins Atomino, um zu tanzen, schienen beim Publikum gut anzukommen. Zudem wurden Original-Zitate verschiedener Shakespeare-Stücke immer wieder an passende Stellen auf humoristische Art und Weise eingebaut.
Auch wenn, die Hygieneauflagen es nicht zuließen, dass jeder einzelne Platz im Publikumsraum besetzt wird, so waren die meisten der vorhandenen Plätze doch gefüllt. Zwar haderten einige Personen damit, ihren Mund-Nasen-Schutz vor der Vorstellung zu tragen, die Mehrheit hielt sich jedoch an die Bestimmungen.
Alles in allem kann man von einem wirklich gelungenen Premieren-Abend sprechen. Die beiden kleinen Malheure, wie ein fehlendes Radio in den Requisiten und der fehlende Ärmel an Julias Kostüm taten dem keinen Abbruch. Auch das Ambiente der Freilichtbühne im Küchwald kann sehr gelobt werden und lädt dazu ein, einen gemütlichen Abend zu verbringen, natürlich immer verbunden mit der Hoffnung auf gutes Wetter. Aber auch für den Fall von Regen haben die Theater Chemnitz vorgesorgt und für jeden Zuschauer Regencapes organisiert. Diese mussten am Premieren-Abend glücklicherweise nicht zum Einsatz kommen.
Weitere Aufführungen:
20.06., 19.30 Uhr
21.06., 17.00 Uhr
07.07., 19.30 Uhr
21.07., 19.30 Uhr